Monday, February 10, 2014

Das Hauptproblem der iranischen Wirtschaft ist die Politik

Die iranische Wochenzeitung „Tedscharat-e Farda“ (Der Handel von Morgen) hat ein ausführliches Gespräch mit dem renommierten iranischen Wirtschaftswissenschaftler Mohsen Ranani veröffentlicht, das am 9. Februar 2014 in verkürzter Form von der Webseite Iran-Emrooz wiedergegeben wurde.

Mohsen Ranani erklärt in diesem Interview, wieso die Probleme der iranischen Wirtschaft nicht von den Wirtschaftswissenschaftlern gelöst werden können.


Fehlende Sicherheit

Er berichtet von einem Bekannten in Dubai, einem iranischen Unternehmer, der sein Kapital dort in Sicherheit gebracht hat. Dieser Unternehmer hatte eigentlich vor, demnächst sein Kapital im Iran zu investieren. Aber von einem Tag auf den andern gab er den Plan auf. Warum? Dieser Mann hatte zuvor verschiedene Zusicherungen der politischen Spitze im Iran gehört, dass der Hausarrest der ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mussawi und Karubi aufgehoben werde. Und was geschah dann? Jemand erklärte, dass die beiden Herren eigentlich die Todesstrafe verdient hätten. Mohsen Ranani lebt im Iran, also nennt er den Jemand nicht mit Namen – es ist Ajatollah Dschannati, der Vorsitzende des Wächerrats.

Mit anderen Worten, die Lage im Iran ist noch heute so, dass Versprechen und Zusicherungen von heute sich schon morgen ins Gegenteil verkehren können. Eine Ansprache, eine Predigt reichen aus. Mohsen Ranani vergleicht die Denkweise der Unternehmer mit der eines Autofahrers. Wenn die Straße gut unterhalten wird, wenn die Wege ausreichend beschildert sind, dann macht man sich auf die Reise. Aber bei dichtem Nebel? Der eine bleibt stehen, der andere wählt einen Weg auf Nebenstraßen, der dritte wartet auf einen großen LKW, um sich hinter ihn anzuhängen. Wer sein Geld in die Produktion investiert, braucht Sicherheit. Auch ein Parlament, das ständig die Gesetze ändert, trägt nicht zur Sicherheit bei, es braucht stabile Spielregeln. Und so kommt es, dass iranische Kapitalisten sich zurückhalten, ihr Geld in Grundstücken oder Gold anlegen, und abwarten.


Politik als Fabrik zur Herstellung von Unsicherheit

Mohsen Ranani warnt davor, zuviel Hoffnungen an die Aufhebung der Sanktionen zu knüpfen. Die Aufhebung der Sanktionen brauche Zeit, und verlorene Märkte erobere man nicht in wenigen Wochen wieder zurück. Wenn man die iranische Wirtschaft in Gang bringen wolle, müsse man als erstes die iranischen Unternehmer von der Sicherheit ihrer Investitionen überzeugen. Die im Inland wie die im Ausland. Und das sei eine politische Frage, keine wirtschaftliche. Die Politiker hätten sich bisher mehr als „Fabrik zur Herstellung von Unsicherheit“ betätigt als etwas zu einer Stabilisierung beizutragen.


Diese Struktur erzeugt systematisch Korruption

Es sei kein Zufall, dass Fälle der Veruntreuung öffentlicher Gelder immer größere Ausmaße angenommen hätten. So war im Fall Fasel Chodadad noch von 123 Milliarden Tuman veruntreuter Gelder die Rede gewesen, im Fall Chosrawi, der vergangenes Jahr aufflog, waren es schon 3000 Milliarden Tuman. „Das ist kein Zufall“, sagt Mohsen Ranani. „Es ist ein Strukturfehler, und diese Struktur erzeugt systematisch Korruption. Ich sage, dass der Mangel an Sicherheit, der aus der Korruption in der iranischen Wirtschaft resultiert, keine Zufallserscheinung ist, sondern zum Wesen des Systems gehört.“ Das sind mutige Worte, die den Wissenschaftler hinter Gitter bringen können. Auch sonst macht sicher Ranani bei den Machthabern nicht beliebt, wenn er ihnen vorwirft, dass ihnen die nötige Ausbildung fehlt, um an den Schalthebeln der Macht sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Wer nur im Kleinen denke und sich nie bemüht habe, das System als Ganzes zu verstehen, bleibe diesem Denken verhaftet, wenn er plötzlich aufsteigt (gemeint sind hier auch die Bassidschis und Pasdaran im Parlament, der Politik und der Wirtschaft).




Rouhani fordert mehr Mut von den Dozenten


Wie ein Zufall mutet es an, dass Präsident Rouhani unlängst vor versammelten Hochschuldozenten mehr Mut forderte. Er fragte, wieso sie das Feld der öffentlichen Meinung nur den Ignoranten, den wissenschaftlichen Analphabeten überließen, jetzt, wo es um die Öffnung des Irans, um die Aufhebung der Sanktionen, um das internationale Atomabkommen gehe.

Die Schelte Rouhanis an die Dozenten ist nicht gerechtfertigt, denn die Mutigen sitzen zum Teil schon Jahre hinter Gittern. Aber das ist nicht die eigentliche Botschaft. Denn der Präsident hat die ganzen Hetzer, die in den staatlichen Medien gegen seine Politik zu Felde ziehen, sei es Schariatmadari, seien es die Anhänger von Ajatollah Mesbah Jasdi, noch Recht vornehme als „Analphabeten“ bezeichnet, und das brachte Leute wie Ajatollah Mesbah Jasdi auf die Palme. „Er schlägt den Sack und meint den Esel“, heißt ein deutsches Sprichwort, und genau das ist der Fall. Und wie heißt es so schön – „Getroffene Hunde bellen.“ So ist es kein Wunder, dass sich gerade Mesbah Jasdi über Rouhanis Worte aufregte. Und hier liegt das Pikante. Erstmals hat Rouhani die Kritik von der fundamentalistischen Seite nicht einfach mit Schweigen übergangen, sondern ist zum Angriff angetreten. Der Kampf an der Spitze geht weiter.


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