Frauen im Tschador
Die Revolution im Iran im Jahre 1979 brachte auch die Frauen auf die Straße. Aber eine der ersten Maßnahmen von Ajatollah Chomeini war es, die Frauen zum Tragen des schwarzen Tschadors zu zwingen. Wieder protestierten die Frauen, aber erfolglos. Die Ideologie der Mollas unterschied sich nicht wesentlichen von der der katholischen Kirche: Kinder, Küche, Kirche, das sollte der Platz der Frauen sein, statt der Kirche eben die Moschee.
Aber der Krieg mit dem Irak, der Mangel an Arbeitskräften in den Fabriken, führte dazu, dass das Regime den Druck auf die Frauen lockern musste, denn sie wurden als Arbeitskräfte in der Industrie benötigt. Es musste nicht unbedingt der Tschador sein, ein Kopftuch tat es auch, wenn es nur die Haare vollständig verdeckte.
35 Jahre lang versuchte das Regime in ständig wiederholten Razzien und Kampagnen, in der Schule und in der Öffentlichkeit, die Mädchen und Frauen zu „islamischer Kleidung“ zu erziehen. Das Resultat dieser Repressalien können wir jetzt sehen.
Die Haare offen und frisiert – freie Köpfe, freie Frauen
Aschura – der zehnte Tag des schiitischen Trauermonats Moharram
Vor wenigen Tagen war der Aschura-Tag, der höchste Feiertag unter den Schiiten und für diese so wichtig wie Ostern bei den Christen. Es ist ein Tag der Trauer, der an den Tod der Märtyrer in Kerbela erinnert, an den Tod von Imam Hossein, seines Sohns, seines Bruders und vieler anderer. Traditionell geißeln sich die Gläubigen an diesem Tag und schlagen sich mit Dolchen auf den Scheitel, bis das Blut fließt. Die einen schlagen sich auf die Brust, die anderen peitschen sich mit Ketten, manche tragen schwere Gerüste mit der imaginären Hochzeitssänfte („Hedschle“) für Ali Akbar, den in Kerbela gestorbenen Sohn von Hossein. Zu diesen Prozessionen erscheinen die Frauen gewöhnlich ganz in schwarz gehüllt, so dass man nichts sieht außer ihrem Gesicht.
Die Wende
Dieses Jahr war es anders. In den Tagen davor waren die Termine bei den meisten Friseuren ausgebucht. Die jungen Frauen ließen sich die Haare färben – oft blond, aufwändig frisieren, und schminkten sich nach allen Regeln der Kunst. Dazu setzten sie sich große Sonnenbrillen auf. Und so mischten sie sich unter die Menge der Trauernden. Auch die Burschen taten das Ihre – mit der Frisur, der Brille und der Gestik. So wurden auf diesen Umzügen, die in sämtlichen Städten und Dörfern des Irans mit schiitischer Bevölkerung stattfinden, nicht nur die üblichen Trauerlieder gesungen und gespielt, sondern Rap-Musik, und die Bewegungen, wie sich die Trauernden auf die Brust klopften, verwandelten sich in Rap-Tanz. Auch die Texte der Gedichte und Lieder waren an verschiedenen Orten so verfasst, dass sie sich auf die Tyrannen der Zeit bezogen, sprich auf das heutige Regime.
Und die Polizei?
Natürlich hätten die bewaffneten Organe des Staates eingreifen können, aber da ist ein Problem. Die Aschura-Feiern sind eine wichtige religiöse Feier, das Regime selbst hat ein großes Interesse daran, dass die Bevölkerung hierzu in die Öffentlichkeit geht. Und nach schiitischer Tradition hat der Feind von Imam Hossein, der berüchtigte Jasid, die Frauen aus der Familie des Imams geschlagen. Wenn die Polizei in dieser Situation einschreitet und die Frauen in der Trauermenge festnehmen will, weil sie das Haar nicht ausreichend mit dem Kopftuch verhüllen oder geschminkt sind, weckt ihr Verhalten den Widerstand der männlichen Teilnehmer. Sie werden den modernen Jasid in Gestalt der Staatsorgane entgegentreten und sie daran hindern, die Frauen zu verhaften. Und zwar gerade die traditionellen Gläubigen. Das setzt das Regime aufs Spiel, wenn es die Bewaffneten vorschickt. Also zogen die bewaffneten Beamten es vor, wegzuschauen. Aber natürlich war die Herausforderung sichtbar.
Die Antwort der Mollas
Überall wurde beklagt, dass die Frauen doch so nicht auf der Aschura-Feier erscheinen dürften, und mancherorts rieten die Mollas den Beamten gar, die „unislamische Bekleidung“ zu ignorieren, es sei doch ein gutes Zeichen, dass diese Frauen überhaupt zur Feier erschienen. Aber das kam mehr dem Eingeständnis einer Niederlage gleich. Also versuchte ein Teil der Geistlichen, den Hebel an anderer Stelle anzusetzen. An verschiedenen Orten traten die Freitagsprediger auf den Plan und erklärten, ein Mann, der zulasse, dass seine Frau oder seine Schwester in so einer Aufmachung an der Aschura teilnehme, habe keine Ehre – bi-gheyrat ist die Bezeichnung, und das trifft hart. Wer die Frau nicht daran hindere, komme selbst in die Hölle. So versucht das Regime also, die Männer zu seinen Hilfspolizisten zu machen, den Streit in die Familien zu tragen, um ihr eigenes Problem zu lösen. Ob ihr das noch gelingt?
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