Viele verschiedene iranische Nachrichtenagenturen berichten darüber, dass der ehemalige Staatsanwalt des Islamischen Revolutionsgerichts und ehemalige Generalstaatsanwalt von Teheran, Sa‘id Mortasawi, festgenommen worden ist. Seine Festnahme erfolgte auf dem Weg nach Hause und in Anwesenheit des stellvertretenden Staatsanwalts von Teheran. Es heißt, er sei in das Ewin-Gefängnis verbracht worden.
Offizieller Festnahmegrund ist laut Erklärung des Staatsanwalts Amtsmissbrauch. Der Leiter der Judikative, Ajatalloah Sadegh Laridschani, eilte in dieser Angelegenheit zum Religionsführer Chamene’i um sich mit ihm über das weitere Vorgehen zu beraten. Man muss bedenken, dass so ein wichtiger Mann wie Mortasawi nicht allein agiert, sondern an vielen Stellen im Staatsapparat Verbündete besitzt – bis hinein ins Ewin-Gefängnis.
Am frühen Morgen versammelten sich fünfzig Anhänger von Mortasawi vor dem zentralen Gebäude der Judikative in Teheran und forderten seine Freilassung. Die Sicherheitskräfte ließen diese kleine Gruppe gewähren und mischten sich nicht ein.
Im ganzen Iran freuten sich die Menschen an dieser Nachricht, riefen sich an und gratulierten sich gegenseitig.
Wer ist Sa‘id Mortasawi?
Seine Karriere begann Mortasawi als Verhörbeamter im Ewin-Gefängnis. In dieser Zeit wurde er yon Ayatollah Mesbah Yazdi im Islamischen Recht ausgebildet. Anschließend konnte er an verschiedenen Universitäten Jura studieren ohne an den Vorlesungen teilzunehmen.
Der Folterer spielt Richter
Unter Präsident Chatami war Mortasawi als Richter zuständig für die Verfolgung von Journalisten und die Schließung kritischer Zeitungen im Inland. Sa‘id Mortasawi war auch am Verhör der iranisch-kanadischen Journalistin Sahra Kasemi beteiligt und soll sie persönlich gefoltert haben. Sahra Kasemi wurde damals – im Jahr 2003 – zu Tode gefoltert.
Sa‘id Mortasawi war Generalstaatsanwalt von Teheran, als sich die berüchtigten Folterungen im Kahrisak-Gefängnis unter seiner Aufsicht und Leitung abspielten. Das war nach den Protesten gegen die Fälschung der Präsidentschaftswahl von 2009. Weil in Kahrisak auch der Sohn eines engen Mitarbeiters von Ajatollah Chamene‘i zu Tode gefoltert wurde, wurde Sa‘id Mortasawi auf einen anderen Posten versetzt, wo sein Treiben nicht so im Rampenlicht stand, das dafür aber umso einträglicher gewesen sein dürfte. Er wurde zum Direktor zur Bekämpfung des Schmuggels von Waren und Devisen. Er genoß die Unterstützung von Ajatollah Chamene‘i und von Präsident Ahmadineschad, so dass er auch für seine Verbrechen in Kahrisak nie zur Verantwortung gezogen wurde.
Nach Protesten wurde er zum Direktor der iranischen Sozialversicherung ernannt. Als er aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts als ungeeignet für dieses Amt eingestuft wurde, setzte ihn Ahmadineschad als stellvertretenden Direktor ein. Dies nahm das iranische Parlament zum Anlass für einen Misstrauensantrag gegen den iranischen Minister für Arbeit und Soziales, dem Sa‘id Mortasawi unterstand, weil der Minister sich weigerte, Mortasawi zu entlassen.
Kommentar:
Wenn wir wissen wollen, warum so ein wichtiger Vertreter des Regimes und Instrument in der Hand von Chamen’i so tief stürzen kann, müssen wir etwas tiefer gehen. Die islamischen Rechtsgelehrten, insbesondere die schiitischen Rechtsgelehrten haben eine Theorie: Jeder Mensch soll vor Gott Angst haben. In einem islamischen Modell wie dem Iran müssen die Menschen vor der Scharia und deren Strafen Angst haben. Wer verhängt diese Strafen?
Im islamischen Modell Iran das Revolutionsgericht. Dort spielen Verhörbeamte, Richter und der Staatsanwalt eine wichtige Rolle. Zu Beginn der Islamischen Revolution war ein gewisser Asadollah Ladschevardi abwechselnd Verhörbeamter, Richter und Staatsanwalt. Wegen seiner Brutalität wurde er berüchtigt als der „Henker vom Ewin-Gefängnis“. 1998 wurde er ermordet – angeblich von Volksmujaheddin.
Chamene’i brauchte einen Ersatz für diese Rolle und begann Schritt für Schritt Mortasawi in dieser Richtung aufzubauen. Mortasawi hat mit dem iranischen Geheimdienst zusammen die Serienmorde der 1990er Jahre zu verantworten. Ein wichtiger Auftraggeber war Said Emmami, der damalige Geheimdienstminister. Dieser wurde das erste Bauernopfer von Chamene’i und soll angeblich Selbstmord begangen haben. Schon in dieser Zeit wirkte Mortasawi im Hintergrund.
Bei den Demonstrationen gegen den Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen 2009 sind viele Menschen, die auf der Straße festgenommen wurden, in das berüchtigte Kharisak-Gefängnis gesteckt worden. Die Todesfälle und Folter an Gefangenen dort alarmierten Menschenrechtsbewegungen in der ganzen Welt. Mortasawi, der in dieser Zeit Generalstaatsanwalt von Teheran war, wurde in einem Bericht des Jahres 2010 dafür verantwortlich erklärt. Es musste ein weiteres Opfer her und das konnte nur Mortasawi sein – er musste 2010 auf Anweisung von Chamene’i von der Judikative entlassen worden. Auch wenn er weiterhin die Unterstützung von Ahmadinedschad und Chamene’i genoss musste er am Ende doch geopfert werden.
Lässt sich Ahmadinedschad zum nächsten Bauernopfer machen? Das müssen wir abwarten.
Vergleiche weitere Artikel in diesem Blog:
http://alischirasi.blogsport.de/2012/03/05/iran-das-foltern-hat-sich-gelohnt/
http://alischirasi.blogsport.de/2009/11/23/die-anwort-der-iranischen-regierung-auf-friedliche-demonstrationen-hinrichtungen/
http://alischirasi.blogsport.de/2009/07/03/iran-taeterportraet-eines-staatsanwalts/
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