Tuesday, May 21, 2013

Iran: Der Starke ist am Mächtigsten allein

Mascha‘i und Rafsandschani ausgeschlossen

Inzwischen hat das iranische Innenministerium die Liste der vom Wächterrat für die Präsidentschaftswahlen zugelassenen Kandidaten veröffentlicht. Und tatsächlich:

Weder Esfandiyar Rahim Mascha‘i noch Ajatollah Haschemi Rafsandschani wurde für geeignet gehalten, zu den kommenden Wahlen zugelassen zu werden. Acht Namen stehen auf der Liste, genau die Namen, die einige Zeitungen schon zuvor unter Berufung auf „Gerüchte“ veröffentlicht hatten. Der neueste Wunschkandidat von Ajatollah Chamene‘i, Sa‘id Dschalili, ist auch darunter, ebenso wie seine anderen Lieblinge, also Bagher Qalibaf, Mohsen Resa‘i, Haddad Adel und der ehemalige Außenminister Ali-Akbar Welajati.


Ahmadineschads Pläne durchkreuzt

Mit der Ablehnung von Mascha‘i, den Ahmadineschad zu seinem Nachfolger erkoren hatte, musste auch Ahmadineschad rechnen, und er hat im Vorfeld oft genug damit gedroht, Dinge auszuplaudern, die auch dem Religiösen Führer unangenehm werden können. Ajatollah Chamene‘i hat sich nicht beeindrucken lassen, und statt dessen gehandelt. Er hat in den letzten Tagen eine Reihe von Geistlichen überfallsmäßig aus ihrer Wohnung holen lassen, die als Unterstützer von Ahmadineschad bekannt waren. Die Festgenommenen wurden erst wieder freigelassen, nachdem sie eine Verpflichtungserklärung abgegeben hatten, sie würden keine Unruhe stiften, wenn Mascha‘i nicht als Kandidat zugelassen werden sollte. Zudem hat Ajatollah Chamene‘i in der letzten Zeit eine Reihe von wichtigen Amtsträgern in der Provinz verhaften lassen, die ihre Posten Ahmadineschad verdankten. Die Zielrichtung ist klar: Einmal soll damit Ahmadineschad die Unterstützung in der Verwaltung genommen werden, mit der er Unruhe stiften könnte. /um anderen ist dies ein Signal an alle anderen Anhänger Ahmadineschads in der Verwaltung, es sich gut zu überlegen, ob sie nicht besser auf die Seite des mutmaßlichen Siegers überwechseln sollen.

Ahmadineschad ist sicherlich noch für manche Überraschung gut, aber mit diesen Schritten entzieht ihm der Religiöse Führer die Verfügungsgewalt über den Staatsapparat, dann bleiben Ahmadineschad nur noch Worte.




Der Rattenfänger von Teheran


Der Rattenfänger hat Spielpause

Die Ablehnung von Ajatollah Haschemi Rafsandschani ist dagegen nicht so leicht zu interpretieren. Immerhin hätte Ajatollah Chamene‘i schon am Anfang sagen können, er solle es besser bleiben lassen und nicht kandidieren. Aber dann wäre Chamene‘i in den Augen der Anhänger der Fundamentalisten und des Basars als der Schuldige erschienen. Jetzt hat der Wächterrat entschieden, und damit steht Chamene‘i nicht mehr in der vordersten Schusslinie. Natürlich hätte der Wächterrat anders entschieden, wenn Ajatollah Chamene‘i es gewollt hätte, aber die Form ist gewahrt, und die islamistische Verfassung des Irans gibt dem Wächterrat das letzte Wort. Genauer: das Vorletzte. Denn so wie bei den vorigen Präsidentschaftswahlen, als der Wächterrat Mirhossein Mussawi und Karubi nicht zuließ und erst ein nachträglicher Beschluss von Ajatollah Chamene‘i diesen Entscheid umstieß, so könnte Chamene‘i auch jetzt noch nachträglich Rafsandschani doch als Kandidaten zulassen. Dann allerdings mit Bedingungen: Und die Bedingungen wären die, die auch der oberste Chef der Revolutionswächter (Pasdaran) kürzlich offengelegt hat: Eine Entwicklung wie im Jahr 2009 darf sich nicht wiederholen. Damals hat der Unterdrückungsapparat fast zwei Jahre benötigt, um das protestierende Volk von den Straßen zu holen. Das kostet Energie, und darauf haben auch die Machthaber keinen Bock. Deshalb dürfte Rafsandschani nur antreten, wenn er nicht mehr die Dinge zur Sprache bringt, mit denen er bislang Sympathien unter der Bevölkerung geerntet hat: die Freilassung der politischen Gefangenen, die Beendigung des Hausarrests gegen Karrubi und Mussawi, die Notwendigkeit, sich bei der Bevölkerung für das Geschehene zu entschuldigen, der Verzicht auf die Atombombe, der Versuch einer Aussöhnung mit Israel, damit der Westen die Sanktionen aufhebt und die Wirtschaft wieder in Gang kommt, wovon sich die Bevölkerung neue Arbeitsplätze erhofft. Natürlich könnte Rafsandschani schweigen, aber dann gewinnt er die Stimmen nicht, die er benötigt, um an die Macht zu kommen. Und er hätte seinen Ruf ruiniert. Deshalb gibt es aus seiner Sicht keinen Grund, auf solche Bedingungen seitens des Religiösen Führers einzugehen. Und wieso sollte der Führer ihn, seinen gefährlichsten Konkurrenten, der ihn eines Tages sogar aus seinem Amt entfernen könnte, hochkommen lassen? Wieso machte Ajatollah Chamene‘i den Umweg über den Wächterrat, wenn er sich auf diesem Weg dann doch wieder in den Vordergrund schiebt? Es gibt wenig Gründe, die dafür sprechen, dass Chamene‘i diesmal die Entscheidung des Wächterrats rückgängig macht.


Was sagt Rafsandschani?

Der Fuchs schweigt. Wie ein iranischer Kommentator betonte, konnte ihm diese Entscheidung nur Recht sein. Denn wenn jetzt die Fundamentalisten unter Ajatollah Chamene‘i ihren Kandidaten durchsetzen, wird sich ein halbes Jahr nach den Wahlen zeigen, dass sie nicht in der Lage sind, die Probleme der Bevölkerung zu lösen. Dann besäße Ajatollah Rafsandschani immer noch genügend Ansehen unter der Bevölkerung, um sie zu mobilisieren, falls er es will. Dass er weiter denkt, zeigt sich auch an den Äußerungen seiner Tochter Fateme Haschemi gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur Dscharas. Demnach war ihr Vater noch heute morgen (Dienstag, 21. Mai) aufgefordert worden, freiwillig auf seine Kandidatur zu verzichten – um dem Wächterrat die Ablehnung zu ersparen, versteht sich. Ajatollah Haschemi Rafsandschani habe dies mit den Worten abgelehnt: „Ich werde nicht verzichten, ich will das Volk nicht verraten. Das Volk hat mir sein Vertrauen geschenkt und mich gebeten, anzutreten. Ich bin für das Volk angetreten. Die Menschen haben sich sehr darüber gefreut, wie können Sie da von mir erwarten, dass ich den Verzicht erkläre? Auf welcher Grundlage sollte ich das tun? Ich kann das Volk doch nicht anlügen.“

Fateme Haschemi versäumte auch nicht, darauf hinzuweisen, dass die Begründung, ihr Vater sei (mit 79) zu alt für den Posten, nicht sehr überzeugend klingt: „Imam Chomeini hat das Land im Alter von 79 betreten (aus seinem Pariser Exil) und war dann noch elf Jahre lang der Führer des Landes und hat das revolutionäre Land hervorragend geleitet.“

Das ist eine feine Spitze gegen die auch ansonsten überalterte geistliche Führung, die sich ja so gerne auf das Beispiel von Chomeini beruft.


Die Rolle Rafsandschanis

Unabhängig davon, mit welcher Begründung die Kandidatur Rafsandschanis jetzt abgelehnt wurde, sollte man sich stets eins vor Augen halten. Rafsandschani ist kein Mensch, der die Islamische Republik reformieren will, sondern einer, der die Gefahr des Untergangs spürt und den Untergang des Systems abwenden will. Dabei schreckt er vor nichts zurück. Er war einer der Begründer des Systems, er war in den Mord von Mykonos in Berlin, in die Serienmorde an Intellektuellen im Iran in den 1990er Jahren verwickelt und auch für den Anschlag auf die israelische Botschaft in Buenos Aires (Argentinien) soll er mitverantwortlich sein. Er hat gute Vorarbeit geleistet und wäre in der Lage, der Bevölkerung erneut Hoffnung auf einen Wandel zu machen, einen Wandel, den er selbst nicht will. Wenn er jetzt nicht kandidiert, bleibt dem Volk die nächste Enttäuschung erspart. Denn dass von den Kandidaten Chamene‘is nichts zu erwarten ist, weiß die Mehrheit ohnehin.


Wieviel Stimmen für den Nachfolger?

Wenn Rafsandschani nicht antritt und Mascha‘i ausgeschlossen bleibt, wird der Wahlkampf eine müde Veranstaltung. Es wird nicht viele Wähler auf die Beine bringen, wenn die Kandidaten damit prahlen, wie vielen Studenten sie mit dem Knüppel den Kopf eingeschlagen haben. In diesem Fall darf man erwarten, dass von den etwa 50 Millionen Wahlberechtigten die meisten zu Hause bleiben. Das kommt in diesem Fall Chamene‘i und seinem Umfeld gelegen: Dann genügt es, dass sie ihre stabile Anhängerschaft mobilisieren und ihr Kandidat kann mit einer relativen Mehrheit sogar den Sieg erringen.


Wer ist die Wählerbasis?

Im Iran gibt es etwa 1 Million Revolutionswächter, Polizisten, Geheimdienstangehörige und Militärs. Noch einmal 1 Million stellen die bezahlten Angehörigen der Bassidschi-Milizen dar. Macht zusammen zwei Millionen. Diese Leute haben Familienangehörige, also die Zahl mal vier, macht maximal 8 Millionen Stimmen. Dann kommen noch etwa 2 Millionen staatliche Angestellte in verschiedenen Behörden dazu, zu denen ebenfalls wieder die Familie dazugezählt werden kann. Macht nochmal maximal 8 Millionen. So kommen wir auf maximal 16 Millionen Stimmen, die das Regime für sich mobilisieren kann. Wenn 30 Millionen der Wähler zu Hause bleiben, sind 16 von 20 Millionen Wählern ausreichend, um einen Kandidaten durchzubringen, sogar 11 Millionen würden genügen.


Der Alleinherrscher haftet allein

Das Problem sind dann nicht mehr die Wahlen, sondern die Zeit danach. Eine Regierung, die die bisherige Politik fortsetzt, kann weder Arbeitsplätze schaffen noch die Inflation bremsen, und ohne Änderung der Außenpolitik (Israel, Syrien, Atompolitik) wird auch das Embargo andauern. Dann kann sich der Religiöse Führer hinter nichts mehr verstecken – der Alleinherrscher haftet allein.


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