Monday, May 6, 2013

Iran vor den Wahlen: Blick aus den oberen Etagen


Der Oberbefehlshaber der Pasdaran (Revolutionswächter) Mohammad-Ali Dscha‘fari äußerte vor einer Woche:

„Das Öl- und Bankenembargo hat entscheidende und destruktive Wirkungen auf die Lage des Landes. Die schwindelerregende Inflation ist durch die Embargos zustande gekommen. (…) Weil das Land in einer Krise steckt, muss der künftige Präsident in der Lage sein, die Krise zu steuern und das Land aus dieser Lage zu befreien. (…) Die Rolle der Bassidschi-Milizen und der Revolutionswächter in den kommenden Wahlen ist wichtig. Wir müssen bei unseren Überlegungen einen würdigen Menschen finden und ihn unseren Bekannten und den Leuten um uns vorstellen. Die Organisation der Revolutionswächter darf nicht nur auf militärischer Ebene Erfahrungen sammeln, sondern auch in verschiedenen anderen Bereichen wie dem Kampf gegen die Bedrohungen der Sicherheit, der Kultur, der Politik und der Gesellschaft.“


Der Parlamentsabgeordnete Ahmad Tawakkoli, ein naher Verwandter der Laridschani-Brüder, sagte ebenfalls in der letzten Woche:

„Der Fleisch-Preis ist innerhalb kurzer Zeit (gemeint ist ein Monat) um 60 Prozent gestiegen, der für Speiseöl um 35 Prozent. Diese chaotische Inflation betrifft schließlich nicht den Fahrzeugmarkt, der das Alltagsleben der Menschen kaum betrifft. Die Menschen sollen also kein Fleisch mehr essen, keine Bohnen mehr essen, ja nicht einmal Eschkane mehr zu löffeln haben (eine Wassersuppe, die mit einem Löffel Speiseöl und bestenfalls einem Ei angerichtet wird und das Essen der Ärmsten darstellt). Was sollen sie dann essen? Die Industrie und die Menschen können den Gürtel nicht mehr enger schnallen, ohne zu zerbrechen. Ich fordere das Parlament auf, sich um die Nöte der Menschen zu kümmern. Die Menschen halten das nicht mehr aus.“


Der ehemalige Staatspräsident Chatami (der Vorgänger von Ahmadineschad) erklärte auf einem Treffen mit einer Gruppe von Lehrern:

„Wenn ich selbst beim Reisen und beim Reden als einfacher Bürger Beschränkungen ausgesetzt bin und in verschiedener Hinsicht beschuldigt werde, wie wird man da erlauben, dass das Ruder mir übergeben wird? (…) Und nehmen wir an ich kandidiere und werde gewählt – wird man dann zulassen, dass ich irgendetwas entscheide? (…) Und nehmen wir an, man lässt mir freie Hand – es wird sechzehn Jahre dauern, bis wir auch nur zu dem Zustand zurückgekehrt sind, wie sie vor Ahmadineschad herrschte (gemeint ist seine Amtszeit).“


Der Parlamentsabgeordnete Ali Mottahari, ebenfalls mit den Laridschani-Brüdern eng verwandt ist, war vor wenigen Monaten bei Ajatollah Rafsandschani vorstellig geworden und hatte ihn gebeten, für die Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Rafsandschani hatte dies mit dem Hinweis auf sein Alter abgelehnt. Ali Mottahari hat seitdem wiederholt in der Öffentlichkeit die Ansicht vertreten, dass Rafsandschani der einzige sei, der die Lage retten könne. Es stimme zwar, dass er alt sei, aber er brauche nur vier Jahre zu regieren, dann könnten andere das Werk fortführen. Als der Geheimdienstminister Moslehi kürzlich Ajatollah Rafsandschani scharf attackierte, weil dieser öffentlich gemeint hatte, er genieße nicht das Vertrauen des Religiösen Führers (= Ajatollah Chamene‘i), richtete Mottahari im Parlament seine Worte gegen die Minister: „Wer sind Sie, dass sie eine Säule der Revolution angreifen?“


Der ehemalige Staatspräsident Ajatollah Rafsandschani sprach am 28. April 2013 unter anderem vor reformistischen Studenten, Journalisten und Schriftstellern, die ihn besuchten und versuchten, ihn zu überzeugen, dass er kandidieren solle, er sei der einzige, der die Lage retten könne. Ihnen antwortete er:

„Wenn ich Eure Worte akzeptiere, bedeutet dies, dass es in diesem Land keinen fähigen Mann mehr gibt (ein Seitenhieb auf Ajatollah Chamene‘i). (…) Ich sage freilich nicht, dass ich nicht komme (=kandidiere), aber es besteht keine Notwendigkeit, dass ein Achtzigjähriger antritt. (…) In seiner (=Ahmadineschads) achtjährigen Amtszeit hat er die erfahrenen Direktoren in den Ruhestand geschickt. Ahmadineschad war unter mir Sicherheitschef für die ländlichen Gebiete (gemeint ist: in Kurdistan und in Aserbaidschan). Seine Politik bestand darin, die revolutionären Kräfte zu tilgen und zu verleumden. Heute sehen wir, dass unsere Politik planlos geworden ist und vom Tagesgeschäft diktiert wird.“


ist es genug, dass ein Funke überspringt

Als vor wenigen Tagen eine Delegation von Teheraner Studenten Ajatollah Rafsandschani in seinem Büro im Gebäude des Rats zur Wahrung der Interessen des Systems besuchte, schmierte er den Studenten Honig um den Mund: „Eure Worte haben einen Stil, der bei der Jugend ankommt. Ich kann nicht so sprechen und rede noch in der altmodischen Weise, mit der ich groß geworden bin. (…) Auf einigen Sitzungen, die ich mit anderen Personen hatte, haben diese mit demselben Eifer, wie ihr von der Notwendigkeit der Freiheit gesprochen habt, von der Aufforderung zum Sklaventum gesprochen. (…) Ihr wollt ja nichts Unislamisches und nichts Anti-Nationales, ihr fordert nur das, wofür wir die Revolution gemacht haben (…). Wenn man nicht zulässt, dass eure Stimme gehört wird, so ist es doch nicht so, dass eure Worte einfach untergehen. (…) Eure Rede ist das, was viele im Herzen denken, und in diesem Moment ist es genug, dass ein Funke überspringt, damit es ausgesprochen wird. (…) Ich habe auch schon davor versucht, die Lage einzuschätzen. Ich will sehen, ob es überhaupt nötig ist, dass ich die politische Bühne betrete. (…) Ohne die Zustimmung des Führers werde ich die Bühne nicht betreten (…). Wenn es dazu kommen sollte, dass zwischen dem Führer und mir Streit und Zwietracht aufkommen, wird es uns allen schaden. (…) Leider sind jetzt Umstände eingetreten, dass wir uns sagen müssen, dass der Feind es gar nicht nötig hat, gegen uns Krieg zu führen, wir bewegen uns selbst auf unsere Auflösung zu.“

Zum Abschied gab Rafsandschani den Studenten ein ermunterndes Gedicht mit auf den Weg:

„Goft peyghambar gar kubi dari / ‚aqebat z-an dar borun ayad sari.“

Der Prophet sagte: Wenn du an eine Tür klopfst, kommt schließlich aus der Tür ein Kopf zum Vorschein.“


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