Monday, June 17, 2013

Iran: Alles in Butter?

Bei den Präsidentschaftswahlen im Iran am 14. Juni 2013 hat Hodschatol-Eslam Hassan Rouhani die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Laut amtlichen Angaben waren es 18 Millionen Stimmen (50,7% der abgegebenen Stimmen). Als zweiter folgte der Oberbürgermeister von Teheran und Pasdar-General Bagher Qalibaf mit 6 Millionen Stimmen (17% der abgegebenen Stimmen), als dritter Sa‘id Dschalili mit 4 Millionen Stimmen (11% der abgegebenen Stimmen), als vierter Mohsen Resa‘i mit 3,8 Millionen Stimmen (10,5%), als fünfter Ali-Akbar Welayati mit 2,2 Millionen Stimmen (6%) und als letzter Gharasi mit 0,4 Millionen Stimmen (1%), der Rest von ca. 3% waren ungültige Stimmen.

Die ersten Drei Rouhani, Qalibaf und Dschalili entsprechen der Vorhersage der Pasdaran-Nachrichtenagentur Fars, nur nicht in der angekündigten Reihenfolge.


Wenn alle gratulieren

Nach der amtlichen Bekanntgabe des Wahlergebnisses häuften sich die Gratulationen:

Der Religiöse Führer Ajatollah Chamene‘i gratulierte dem Wahlsieger Hodschatol-Eslam Hassan Rouhani.

Die Pasdaran (Revolutionswächter) gratulierten dem Wahlsieger.

Der Parlamentspräsident Ali Laridschani gratulierte dem Wahlsieger.

Der Vertreter des Religiösen Führers bei den Bassidschi-Milizen gratulierte dem Wahlsieger.

47 politische Gefangene aus dem Ewin-Gefängnis in Teheran gratulierten dem Wahlsieger.

Die reformistischen Gruppen im Iran gratulierten dem Wahlsieger.

Die kommunistische Tudeh-Partei im Iran gratulierte dem Wahlsieger.

Der Vorsitzende des Wächterrats Ajatollah Dschannati gratulierte dem Wahlsieger.

Der vom Wächterrat von den Wahlen ausgeschlossene Kandidat Ajatollah Rafsandschani gratulierte dem Wahlsieger mit einem spöttischen Seitenhieb gegen die „sturen Köpfe“ – gemeint sind die Pasdaran und Ajatollah Chamene‘i.

Die führenden Politiker der EU gratuliertem dem Wahlsieger.

Und auf den Straßen vieler verschiedener Städte des Irans feierte die Bevölkerung mit Tänzen und Musik den Sieg von Hassan Rouhani.


Geht wählen, weil Ihr Iraner seid!

Die Gründe, warum so viele Iraner an diesen Wahlen teilgenommen haben, sind nicht zu letzt in der wirksamen Werbung des Regimes zu sehen. So wurden die Iraner aufgefordert, wählen zu gehen, um das Land vor einem drohenden Krieg zu retten und die wirtschaftliche Katastrophe abzuwenden. Und am letzten Tag vor den Wahlen zog Ajatollah Chamene‘i, der Religiöse Führer, auch noch die nationalistische Karte. Er meinte: „Auch wenn ihr gegen die islamische Regierung seid, egal welcher Volksgruppe ihr angehört, aber geht wählen, weil ihr Iraner seid!“


Wahlen ohne Ende

Eigentlich hätten die Wahlen am Freitag, den 14. Juni, um 18 Uhr beendet sein sollen. Aber um 18 Uhr wurde eine Verlängerung bekannt gegeben, die immer wieder um 1 bis 2 Stunden verlängert wurde. In der Wahlnacht gab die Zentrale Wahlkommission schließlich bekannt, die Wahllokale dürften erst geschlossen werden, wenn sie ausdrücklich dazu aufgefordert würden. So war es 23 Uhr, als die Wahllokale geschlossen wurde. Außerdem gab der Sprecher des Wächterrats Kadchoda‘i bekannt, dass niemand außer dem iranischen Innenministerium das Recht habe, irgendwelche Wahlergebnisse zu veröffentlichen, auch nicht von einzelnen Wahlkreisen.


Fünf Stunden hinter den Kulissen

Was geschah in den fünf Stunden, bis die Wahllokale wirklich geschlossen wurde? Es ist immerhin ungewöhnlich, während des Wahlvorgangs die Regeln des Spiels zu ändern. Das ist auch nicht die einzige Ungewöhnlichkeit. Wer demokratische Wahlen kennt, weiß, dass mit der Auszählung der Stimmen erst nach Abschluss der Wahlen begonnen wird, weil das Bekanntwerden der Stimmverhältnisse während des Wahlvorgangs es ermöglicht, die Ergebnisse noch zu beeinflussen. Die iranischen „Wahlingenieure“ haben mit so etwas keine Probleme. So gab das iranische Innenministerium schon während des Nachmittags Ergebnisse der Auszählung der bis dahin abgegebenen Stimmen aus einzelnen Wahlkreisen bekannt, so dass zumindest im Innenministerium schon vor 18 Uhr der Trend bekannt war. Und dieser Trend war für verschiedene Machtgruppen unerfreulich: Weder Dschalili, der Kandidat von Ajatollah Chamene‘i, noch Qalibaf, der Kandidat der Pasdaran, hatten ausreichend Stimmen erhalten, um auch nur einen zweiten Wahlgang zu ermöglichen. Die Verlängerung der Wahlen war nötig, damit sich Wächterrat (als Vertreter der Interessen des Religiösen Führers) und die Pasdaran über das weitere Vorgehen einigen konnten. Eine Option war, die Stimmen von Dschalili und Qalibaf so hochzutreiben, dass Hassan Rouhani in der ersten Wahlrunde nicht über die 50%- Grenze käme und ein zweiter Wahlgang notwendig würde, bei dem dann einer von beiden – Dschalili oder Qalibaf – gegen Rouhani antreten sollte. Aber genau in diesem Punkt konnten sich die Gegner nicht einigen. So kam es schließlich, dass Wächterrat und Pasdaran sich an Ajatollah Chamene‘i wandten, um das weitere Verfahren abzustimmen. Dieser befand, dass die Gefahren, die bei einer zweiten Wahlrunde drohen, viel größer sind, als wenn man jetzt Rouhani gewinnen lässt und die Wahlen beendet. Das benötigte Zeit. Und offensichtlich nicht nur die Zeit von 18 bis 23 Uhr, sondern noch einiges mehr, denn auch die amtliche Bekanntgabe der Wahlergebnisse erfolgte nicht wie vom Innenministerium angekündigt noch am Freitag abend, sondern erst ab 4 Uhr morgens am darauf folgenden Samstag.


Die kleine Überraschung

Es war möglicherweise nur eine Kleinigkeit, die zu diesem für die Wahlingenieure so unerfreulichen Ergebnis geführt haben. Denn während auf der Seite der sogenannten Prinzipialisten (Fundamentalisten) mehrere Pferde im Rennen waren – Sa‘id Dschalili, Bagher Qalibaf, Mohsen Resa‘i und Ali-Akbar Welajati – waren auf der Seite, die angeblich den Reformern nahesteht, zwei zu finden – Mohammad-Resa Aref und Hassan Rouhani. Und Aref gab am letzten Tag vor den Wahlen auf, wegen der Schikanen, mit denen er im Wahlkampf konfrontiert wurde. Das führte dazu, dass diejenigen Wähler, die reformfreundlich gesinnt waren, ihre Stimme nur einem Kandidaten geben konnten, nämlich Hassan Rouhani. Und das wiederum hatte zur Folge, dass er gleich in der ersten Runde über die 50% kam, so dass eine manipulierte zweite Runde nicht in Frage kam, wenn man das Ergebnis nicht massiv umkrempeln wollte. Dass die über 50% von Rouhani keine bloße Wahlmanipulation sind, kann man daran erkennen, dass nach der Bekanntgabe des Ergebnisses allein in Teheran an die 700.000 Menschen auf die Straßen strömten, um den Sieg zu feiern. Wäre der Sieg das Ergebnis einer massiven Fälschung, wären die Leute zum Protest auf die Straße gegangen, und nicht zum zu feiern und zu tanzen.


Sieg der Salamitaktik

Damit die Freude der Bevölkerung nicht zu einer massiveren Bewegung ausufert, haben die Staatsorgane die Verlängerung der Wahlzeit und das Herauszögern der Bekanntgabe sinnvoll genutzt. An den kritischen Orten haben sie bewaffnete Kräfte stationiert, um eingreifen zu können, falls es kritisch werden sollte. Und die Ergebnisse wurden auch nicht auf einmal bekannt gegeben, sondern erst stückweise, aus dem einen Wahlkreis, dann aus dem andern, so dass die Freude zeitlich abgestuft und damit besser kontrollierbar wurde. In Tabris kam es am Samstagabend zu einer Freudenfeier über den Sieg von Rouhani, die am 22:30 durch das Eingreifen von Polizei und Pasdaran gewaltsam beendet wurde. Es kam zu Festnahmen, die Opfer wurden zur Geheimdienstzentrale der Pasdaran in Tabris gebracht, wo ihnen Verhöre drohen.


Warnung der Pasdaran an Rouhani

Zwei Tage nach dem Wahlsieg veröffentlichte die Pasdaran-Zeitung Dschawan („Jung“) einen Artikel, in dem kritisiert wurde, dass bei den Festen und Tänzen der Bevölkerung nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses die „Gefühle der Bevölkerung nicht kontrolliert wurden“. So seien Parolen gerufen worden, die systemzersetzend seien, z.B. „Jetzt habe ich mir die Stimme zurückgeholt, auch wenn’s spät ist“ (gemeint ist die Wahlfälschung von 2009), „Freilassung der politischen Gefangenen“, „Mussawi und Karubi müssen freigelassen werden“. Die Pasdaran-Zeitung fordert Hassan Rouhani auf, so etwas nicht zuzulassen und seine Anhänger darauf hinzuweisen, dass solche Parolen den Interessen des Feindes entgegen kommen.


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